Zum Geburtstag des Reichsministers Dr. Goebbels fand im Funkhaus die Verteilung von 500 neuen dtsch. Kleinempfängern an bedürftige Volksgenossen aus dem Gau Berlin statt. Gaupropagandaleiter Wächter verteilt die Empfänger. Fot: Nau 29.10.38

Gesinnungsjournalismus die moralische Schriftstellerei

Webers Thesen

Im Krisenjahr 1919, in dem der Spartakusaufstand und die Räterepublik gewaltsam niedergeschlagen wurden, sprach Max Weber in einer Veranstaltungsreihe des Freistudentischen Bundes in München zweimal zum Thema „Geistige Arbeit als Beruf‘. Den zweiten Vortrag über ,,Politik als Beruf‘ hatte er ursprünglich abgelehnt und nur deshalb übernommen, weil der studentische Initiator der Reihe und spätere Journalist Emanuel Birnbaum damit gedroht hatte, andernfalls werde man den politischen Aktivisten Kurt Eisner einladen, der kurz danach ermordet wurde.

Zum gesellschaftlichen und persönlichen Kontext des

Vortrags gehören damit alle Elemente, die auch seinen Inhalt ausmachen: Legitime Macht und revolutionäre Gewalt, journalistische Finesse und wissenschaftlicher Geltungsdrang, zielgerichtetes Handeln mit Blick auf mögliche Nebenfolgen und moralische Appelle an die Verantwortung des Wissenschaftlers auch für die Folgen von Unterlassungen.

Zur dauerhaften Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft wurden jedoch nicht Webers aktuelle Ausführungen über den Einsatz von Gewalt als Mittel der Politik angesichts revolutionärer Umtriebe, sondern seine theoretisch-definitorischen Unterscheidungen zwischen Zweck- und Wertrationalität bzw. Verantwortungs- und Gesinnungsethik.

Zweckrational handelt nach Weber, wer sein ,,Handeln nach Zweck, Mittel und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wie endlich auch die verschiedenen möglichen Zwecke gegeneinander rational abwägt“ (Weber, 1976, S. 45). Wertrational handelt, „wer ohne Rücksicht auf die voraussehbaren Folgen handelt im Dienste seiner Überzeugung von dem, was Pflicht, Würde, Schönheit, religiöse Weisung, Pietät oder die Wichtigkeit einer ‚Sache‘, gleich welcher Art, ihm zu gebieten scheinen. Stets ist wertrationales Handeln ein Handeln nach ‚Geboten‘ oder gemäß ‚Forderungen‘, die der Handelnde an sich gestellt glaubt“ (ebd.).

Den beiden Rationalitäten ordnet Weber zwei Ethiken zu. Verantwortungsethisch handelt, wer die Verantwortung für die beabsichtigten und unbeabsichtigten Folgen seines Handelns übernimmt und sein Verhalten danach ausrichtet

(vgl. Weber, 1926, S. 57-60). Voraussetzung hierfür ist, dass der Handelnde die beabsichtigten und unbeabsichtigten Folgen seines Handelns abschätzen kann – dass er die Wirkungen seines Handelns zumindest näherungsweise kennt. Gesinnungsethisch handelt, wer sein Verhalten ausschließlich an dominanten Normen orientiert und eine Verantwortung für die unbeabsichtigten Folgen seines Handelns ablehnt. Der Gesinnungsethiker handelt nicht ohne Rücksicht auf ethische Forderungen, er verabsolutiert vielmehr eine und unterwirft sich ihr bedingungslos.

Nach Weber geht das wertrationale Handeln einher mit einer gesinnungsethischen Orientierung, das zweckrationale mit einer verantwortungsethischen

Haltung. Als Beispiel für die Kombination von Zweckrationalität und Verantwortungsethik nennt er das Handeln von Politikern. Als Beispiel für die Kombination von Wertrationalität und Gesinnungsethik verweist er auf Journalisten.

Ein charakteristisches Element der Gesinnungsethik ist nach Weber die „unbedingte Wahrheitspflicht“ (ebd.), eine Folge davon die Publikation politischer Dokumente ohne Rücksicht auf ihre positiven oder negativen Folgen.

Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Publikation von geheimen Dokumenten, die den Interessen eines Staates schaden können

Max Webers Unterscheidungen zwischen verschiedenen Rationalitäten und Ethiken, ihre Zuordnung zueinander und ihre Illustration anhand des Verhaltens von Politikern und Journalisten gehört vermutlich zu den am meisten zitierten Passagen der politischen Soziologie.
Gesinnungs- und Verantwortungsethik im Journalismus

Die Rolle der Legitimität des Journalisten für den gesellschaftlichen  Diskurs. Jürgen Gottschlich beschreibt den Orientierungsverlust, der durch die Diskrepanz zwischen dem subjektiven Berufsbild und dem tatsächlichen entsteht.

Jürgen Gottschlich beschreibt, wie der Journalist und Schriftsteller zu dem wurde, der er heute ist, und macht deutlich, welchen Preis Wallraff für seine Aktionen und Rollenspiele bezahlte. Seine Paraderolle als David gegen den Goliath „Bild“-Zeitung hat nicht nur den Blick auf das Boulevardblatt in der deutschen Öffentlichkeit nachhaltig verändert – Wallraff musste auch in Kauf nehmen, dass der Springer-Konzern jahrelang versuchte, ihn als vermeintlichen Stasi-Spitzel zu denunzieren. Und das Buch „Ganz unten“, für das Wallraff fast drei Jahre lang als Türke „Ali“ lebte und das über Nacht zu einem Megaseller wurde, hat manche Freunde zu Feinden gemacht. Diese Biographie, die auf ausführlichen Gesprächen mit Günter Wallraff und Weggefährten beruht, erzählt auch eine kurze Geschichte der politischen Linken in der Bundesrepublik. Anders als frühere Weggefährten ist Wallraff seinen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit und internationaler Solidarität treu geblieben, er ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern mischt sich bis heute ein, wenn es gilt, bedrohten Menschen eine Stimme zu leihen. Die „moralische Schriftstellerei“, die im Großen und Ganzen die Vorurteile linksliberaler Milieus bestätige

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